Über Gewölbe
Ich schreibe diese kleine Bemerkung, weil ich festgestellt habe, daß viele Leute in AW nicht wissen, was ein Gewölbe ist und dessen Funktion nicht verstehen. Sprachlos und entsetzt war ich beispielsweise, daß ein wohlmeinender User in das Gewölbe einer Freeware-Basilika aus meiner Produktion einen Dachstuhl eingesetzt hatte. Er verstand offenbar nicht, daß das Gewölbe eine Konstruktion ist, die solche Hilfen nicht braucht. Auf dem nebenstehenden Bild sind die Kräfte eingezeichnet, die auf das Gewölbe wirken. Vom Schlußstein, dem obersten Stein aus, werden die Kräfte jeweils nach schräg unten umgeleitet, bis sie schließlich senkrecht auf die Mauern treffen, auf denen das Gewölbe steht. |
Ein Gewölbe ist also selbsttragend und wesentlich haltbarer als beispielsweise ein wagerechter Balken aus Holz oder gar aus Stein. Wie sich im Laufe der Architekturgeschichte gezeigt hat, lassen sich auch riesige Hallen mit Gewölben überdecken und sind - im Unterschied zu Holz - Jahrhunderte und zuweilen sogar Jahrtausende haltbar.
Erste Gewölbe gab es schon im alten Sumer und im vorderen Orient bewährten sich Bogenkonstruktionen für Tore und Türen. Die erste größere Gewölbekonstruktion sind offenbar die berühmten Hängenden Gärten der Semiramis in Babylon, ein auf einem Gebäude errichteter Dachgarten. Wegen der notwendigen Bewässung der Pflanzen mußte man bei der Überdachung eine Konstruktion verwenden, die auch auf längere Zeit durch Feuchtigkeit nicht zersetzt wird und führte unter hohem Kosten Haustein für die Hängenden Gärten aus dem Ausland ein. Auch in Kreta und im alten Griechenland lassen sich Gewölbe finden, aber erst die Römer verhalfen der architektonischen Konstruktion zum Siegeszug |
In ihren großen öffentlichen Bauten, Tempeln, Bädern, Palästen, waren die Römer gezwungen, immer größere Räume zur überbrücken und zu diesem Zweck bot sich das einfache Gewölbe, das sogenannte Tonnengewölbe an. Gewölbe wurden natürlich auch bei den weitläufigen Tunnelsystemen verwendet, die die Römer anlegten, z.B. für die Zwecke der Wasserzuleitung zu ihren Städten, aber auch für unterirdische Kanalisationssysteme oder Grabanlagenn. Viele dieser Konstruktionen, wie beispielsweise die Katakomben, sind so solide gebaut worden, daß sie bis heute erhalten geblieben sind. Das Tonnengewölbe diente bis ins Mittelalter hinein bei Bauten, wurde aber auch danach bis zur Neuzeit weiter verwendet, allerdings nicht mehr zur Repräsentationszwecken, sondern beispielsweise in Kellern. |
Das gleiche statische Prinzip wie das Gewölbe hat die Kuppel. Auch hier haben die Römer Pionierarbeit geleistet. Der berühmteste und bis heute erhaltene Kuppelbau ist das Pantheon in Rom, das von Kaiser Hadrian gebaut wurde. Im Alterssitz jenes Kaisers, der Villa Hadriani bei Tivoli finden sich sich übrigens darüber hinaus die waghalsigsten Experimente mit angeschnittenen Kuppeln, aber auch schon Kreuzgewölbe, die dann in der Romanik zum Standardbauelement werden. |
Das Kreuzgewölbe besteht aus zwei ineinandergeschobenen Tonnengewölben. In ganz ähnlicher Weise wie beim Tonnengewölbe und der Kuppel - wenn auch die Kräftevektoren etwas komplizierter sind - hält sich diese Konstruktion ebenfalls von selbst, durch ihr eigenes Gewicht: die Kräfte werden in die vier Stützen abgeleitet. Das Kreuzgewölbe erwies sich als tauglich zur Abdeckung von verhältnismäßig großen Sälen und verlockte die Baumeister zu immer kühneren Konstruktionen. Die sogenannten Rippen übrigens, Stege, die in der späteren Romanik an der Kreuzung der Tonnen eingefügt wurden (und dann in der Gotik zum Spitzengewebe wurden) haben keine eigentlich statische, sondern bloß eine ästhetische Funktion. |
Soweit ein kleiner Einblick in das Thema. Näheres dazu in jeder Abhandlung über die Geschichte der Architektur